"Drogen" fürs Volk

Im Deutschlandfunk lief gerade ein interessanter Beitrag, der mich doch ein bisschen nachdenklich gemacht hat:

„Neue Pillen für den neuen Menschen“

„Neue Pillen treiben unser Gehirn zu Höchstleistungen. Sie machen schlau, aufmerksam, sozial kompetent, mindern das Schlafbedürfnis und steigern die Reaktionsfähigkeit. Ursprünglich für Kranke entwickelt, sollen in Zukunft auch Gesunde von den neuen Wundermedikamenten profitieren.“ (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/462805/)

Nachdem die Schönheitschirurgie bereits zum Alltag gehört und uns die Medien tagtäglich erzählen wie unser „Äußeres“ auszusehen hat, geht es jetzt den „Miesmachern“ in unserer Gesellschaft an den Kragen. Eine neue „Modewelle“ schwappt aus Amerika zu uns herüber. Unsere „inneren Werte“ müssen geändert werden oder wie drückte sich ein Forscher in der Radiosendung aus: Was kann der Einzelne für den Gencocktail, den ihm seine Eltern hinterlassen haben? Die Pharmaindustrie hat ein neues Betätigungsfeld entdeckt: Lifestyledrogen ähhh… ich meine natürlich völlig harmlos Antidepressiva, die sowenig Nebenwirkungen haben, dass man sie täglich einnehmen kann.

Man stelle sich das einmal vor: Eine Welt voller vergnügter Menschen! „Hallo Mann Du bist aber gut drauf!“ „Aber klar doch hab gestern meinen Job verloren, meine Katze wurde vom Auto überfahren und die Regierung erhöht mal wieder die Mehrwertsteuer. Aber macht nichts hab heute zwei Pillen statt einer geschluckt.“ Wirklich eine tolle Vorstellung!
An die Konsequenzen dieses Tuns möchte ich gar nicht denken: Keine depressive Musik, keine melancholischen Liebeslieder, keine traurigen Gedichte mehr, nur noch Liebesfilme mit ‚Happy End’. Da muss ich doch glatt an einen der alten Romero-Streifen denken - wo die Zombies die Weltherrschaft übernehmen. Also ich möchte nicht auf meine „schlechte Laune“ verzichten und wem das nicht passt, der kann mich ja aufheitern oder mir aus dem Weg gehen.

Was kommt als nächstes? Urinkontrollen vor der nächsten Mathematikklausur oder kleine Muntermacher vor Schichtbeginn, damit Arbeitnehmer 48h am Stück am Fließband stehen können - für die 100h Woche? Transplantationen von Zweitgehirnen für Geistes- und Naturwissenschaftler??? Oder doch lieber Gendoping für Zweitklässler?
rudi81 - 31. Jan, 12:02

Moin!

Ich habe auch von diesem Gehirndoping gehört und finde es genau so krankhaft, wie du. So etwas sollte nicht unterstützt werden.

janschiemann - 1. Feb, 13:29

Hallo Arne.

Sehr bissig geschrieben. Gefällt mir! :-)
Auch nach doppeltem Durchlesen weiß ich noch immer nicht so genau, welche Stellen deines Beitrages genau Kritik, und welche purer Zynismus sind. Das muss ich mir noch einmal genau durch den Kopf gehen lassen...

Aber eigentlich ist diese Entwicklung vorherzusehen. Unsere Gesellschaft hat sich in letzter Zeit so drastisch entwickelt, dass eine Vielzahl von Menschen in der heutigen Welt einfach nicht mehr zurecht kommen. Der Mensch stößt an seine Grenzen. Da ist es doch nur recht und billig, wenn man versucht, die "Schwachstelle Mensch" zu verbessern.

Der Mensch an sich ist genügsam. Es reicht ihm, wenn seine Bedürfnisse erfüllt sind. Daher spielt es eigentlich keine Rolle, ob ein Mensch deswegen glücklich ist, weil er mit seinem Parnter im Bett tollt, oder weil er eine Pille geschluckt hat, während er im Bergwerk arbeitet. Er merkt an dieser Stelle ja nicht, dass er eigentlich gar nicht glücklich sein sollte. Er ist es einfach.

Wir sind chemisch funktionierende, leicht zu manipulierende Wesen. Das merkt man schon am Fernsehen. Wenn man den Leuten früher gesagt hätte, dass man sie mehrere Stunden am Tag vor einen Kasten mit bunten Farben setzt, hätten sie sich dagegen gewährt, weil es ihre Freiheit eingeschränkt hätte. Aber auf einem subtileren Weg hat es funktioniert.
Das mit den Pillen könnte nichts weiter als "die nächste Stufe" werden, die eingeführt wird und niemanden stört, weil keiner merkt, was mit ihm passiert.
Dann sind wir alle plötzlich viel produktiver, und die Menschheit freut sich, weil sie es geschafft hat, sich durch ihre eigene Ausbeutung zu bereichern.

Das heißt natürlich nicht, dass ich es gut heiße. Ich bin einfach nur gespannt, wohin die "Entwicklung" so geht. Das könnte noch ganz witzig werden! ;-)

ArneBew - 1. Feb, 22:00

Hallo Jan,
Ich gabe zu es ist ein bißchen zynisch! Aber zu recht! Ich denke, dass es wichtige Gründe dafür gibt, wenn man schlechte Laune hat oder unglücklich ist. Erstens muss man die eignen Gefühle verarbeiten. Zweitens steckt dahinter doch oft der Wunsch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten oder getröstet zu werden. Meine Anmerkung zu den traurigen Gedichten, melancholischen Liedern, … geht doch in dieselbe Richtung: Künstler versuchen anderen Menschen erstens ihre eigene Gefühle mitzuteilen und damit auch häufig eigene Probleme zu bewältigen und gleichzeitig machen sie allen deutlich: „Hey mir ging es auch dreckig. Du da draußen bist nicht der einzige dem es mal schlecht ging.“ Und genau in diesem Zusammenhang fand ich einen Trend der in dem Beitrage auch zur Sprache kam besonders schlimm: In unserer Gesellschaft vereinsamen total viele Menschen und die „Glückspille“ soll auch den Zweck haben, diesen Menschen ihre fehlenden sozialen Kontakte auszugleichen. Anstatt das man sich umeinander kümmert, schluckt man Pillen und alles läuft weiter wie bisher. Zu was für einer Art von Gesellschaft soll das denn führen?

torbenm - 2. Feb, 22:20

Wir haben jetzt eine neue Homepage für die Organisation unserer Weblogs: http://www.weblog-projekte.de
Schau doch mal rein!
Viele Grüße von TorbenM

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